Das Feline Immundefizienz-Virus – kurz FIV.


FIV ist neben FeLV wohl die Virusinfektion der Katze, um die sich die meisten Vorurteile und Mythen ranken.

In Deutschland gibt es aktuell keinen zugelassenen Impfstoff gegen FIV.

In der 1980er Jahre fand Tierarzt Niels Pedersen in den USA bei Katzen, deren Krankheitsbild er von FeLV-Katzen kannte, kein FeLV. Er muss gegrübelt und geforscht haben – und entdeckete schließlich ein 'neues' Virus, das wegen seiner Parallelen zum humanen HIV schließlich einfach Felines Immundefizienz-Virus (FIV) genannt wurde. Übrigens: mit BIV können sich Rinder infizieren. Affen mit SIV.
Der Begriff „Katzenaids“ hat sich eingeschlichen und hält sich hartnäckig, obwohl er für das, was in der Regel gemeint ist, nicht korrekt ist.

Wie FeLV gehört auch FIV zu den sogenannten Lentiviren.
Lateinisch 'lentus' bedeutet 'langsam' und umschreibt diese Virusgruppe sehr treffend: von der Infektion bis zur eigentlichen Erkrankung dauert es relativ lang. Oft vergehen Jahre ohne jedes Symptom. Soweit erstmal gut!

 

Kommt es zu irgendwann im Leben eines FIVis zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung, könnte man hier dann im Endstadium von Katzenaids sprechen.
Aids steht für 'acquired immunodeficiency syndrome', erworbenes Immundefizienzsyndrom. Das bedeutet, dass das Immunsystem Defizite hat und ist erst einmal unabhängig von FIV zu sehen: weil es für ein defizitäres Immunsys- tem auch andere Ursachen geben kann und weil nicht jeder FIVi ein defizitäres Immunsystem hat.
FIV+ getestet zu sein bedeutet also zunächst einmal einen Zustand: es bedeutet, dass die Katze Virusträger ist, nicht mehr und nicht weniger. Es handelt sich nicht um eine Krankheit im eigentlichen Sinne, es gibt keine typischen Symptome und keinen 'Ausbruch'.

'Syndrome' im Begriff Aids deutet auch schon die Vielfältigkeit an, mit der aus der Virusinfektion eine Erkrankung werden kann. Doch dazu später mehr.

Und wie wird man jetzt ein FIVi?

Die Infektionswege.

Eins vorweg: das Feline Immundefizienz-Virus heißt so, weil es nur Katzen betrifft, es ist wie alle bekannten Lenti-

viren streng speziesspezifisch. Menschen können sich nicht mit FIV infizieren. Auch z.B. Hunde nicht.

Schenkt man seriösen, zeitgemäßen Quellen und unseren eigenen Erfahrungen Glauben, so ist die Ansteckungs-gefahr verglichen mit anderen viralen Infektionskrankheiten der Katze erleichternd gering.
Im englischsprachigen Raum kennt man FIV auch unter der Bezeichung 'dirty old man disease ': das größte Infek-tionsrisiko besteht bei unkastrierten freilaufenden Katern, die ihre Reviere auch durch blutige Beißereien gegen Eindringlinge verteidigen. Hierbei erhält das Virus über Speichel direkten Zugang in den anderen Organismus. Auch Sexualkontakte stellen ein ernst zu nehmendes Risiko dar.
Nur zwei der vielen guten Gründe dafür, keine unkastrierten Katzen und Kater in den Freigang zu lassen.
Ob eine Ansteckung stattfindet oder nicht, hängt auch von der aktuellen Viruslast bei der infizierten Katze ab. Das größte Risiko besteht in der Zeit wenige Wochen nach der eigenen Ansteckung und im Endstadium, wenn eine sekundäre Erkrankung weit fortgeschritten ist.

Kniffelig verhält es sich bei Kitten.
Zwar wird die Übertragung sowohl schon im Mutterleib (intrauterin) als auch beim Säugen (laktogen) diskutiert, je nach Aktualität der Literatur aber von der aktuellen Viruslast der Katzenmama abhängig gemacht oder als zu ver- nachlässigende Einzelfälle eingestuft.

Ein Test im Kittenalter würde in den meisten Fällen kein zuverlässiges Ergebnis liefern:
Die Kleinen bekommen von ihrer Mami jede Menge Gutes – auch Antikörper - mit auf den Weg ins Leben. Das ist gut und richtig so und die Natur hat sich dabei etwas gedacht. Wird nun bei bei den Kleinen ein Schnelltest auf FIV ge- macht, wird der positiv auf die Antikörper ansprechen, die die Kitten von ihrer Mami mitbekommen haben.
Es handelt sich aber nur um eine mütterliche Vorsorge, die Antikörper werden mit der Zeit abgebaut und nicht nach- gebildet, weil bei den Kleinen ja keine Infektion stattgefunden hat. Erst im Alter von ungefähr 6 Monaten kann man davon ausgehen, dass das Kitten keine maternalen Antikörper mehr hat.

 

Es wird empfohlen, die ganz Kleinen - wenn überhaupt - bis zum Alter von wenigstens 6 Monaten alle 60 Tage nach- zutesten. Viele Kätzchen werden später negativ nachgetestet. Je nach Quelle soll ein positives Testergebnis sogar erst am dem vollendeten ersten Lebensjahr 'ernst genommen' werden.

Damit das Virus von einer Katze in die andere gelangt muss es bei FIV also schon etwas grober zugehen. Es muss über Körperflüssigkeiten direkt in den anderen Organismus gelangen. Das Teilen von Futtertisch, Katzenklo, Schlafnest, das gegenseitige Putzen, Beschmusen und freundschaftliche Raufereien reichen für eine Infektion nicht aus.
Amerikanische Studien belegen, was wir schon lange beobachten: in Mehrkatzenhaushalten mit sozialen, kastrier- ten Tieren kann eine Infektion so gut wie ausgeschlossen werden, wir dürfen also ruhigen Gewissens FIV+ mit nega- tiv getesteten zusammen halten.

Der Test.


Gründe dafür, einen Test machen zu lassen, gibt es einige: ob als Screening beim Einzug ins Tierheim oder auf kon- kreten Verdacht des Tierarztes hin, auf Anforderung der Vermittler eines neuen Mitbewohners an die schon vorhan- dene Katze oder aus purem Sicherheitsbedürfnis...

Erst einmal muss grundsätzlich zwischen Schnelltest und Labortest unterschieden werden.

Der Schnelltest, auch bekannt als Snap-Test, ist einfach in der Arztpraxis angewendet und liefert sofort ein Ergebnis.
Er funktioniert nach dem sogenannten ELISA-Prinzip (enzyme linked immuno sorbent assay) und spricht auf Anti- körper an, nicht auf das Virus selbst. Deshalb braucht es von der möglichen Ansteckung an ca. 6 Wochen, bis er An- wendung finden kann. Erst dann kann man von einer ausreichend hohen Zahl gebildeter Antikörpern ausgehen, um ein verlässliches Testergebnis zu erhalten.
Infizierte Tiere werden dann zuverlässig positiv angezeigt. Leider liefert er aber auch falsch-positiver Ergebnisse. Grund dafür kann schon ein simpler Anwendungsfehler bei der Probenvorbereitung sein.

Nun kann man das positive Ergebnis per ELISA so hinnehmen.
Dagegen spricht auch gar nichts, wenn das Ergebnis den Ausgangs-Verdacht bestätigt. Oder wenn es einem persön- lich 'egal' ist und sich nichts für das Leben mit der Katze ändern wird.

Anders sieht das aus, wenn allein das Ergebnis Panik bereitet und zu übereilten Entscheidungen führen soll wie Ab- geben, Isolieren, Käfig-Quarantäne oder sogar Euthanasie (was für sich gesehen tierschutzwidrig ist).
Auch wenn das Ergebnis die Vermittelbarkeit einer Tierschutz-Katze beeinflussen würde, weil FIV+ nur zu FIV+ dazu oder in Einzelhaltung vermittelt werden sollen, sollte der Schnelltest durch einen Labortest bestätigt werden.

Unserer Erfahrung nach kann es sinnvoll sein, bei der Anforderung ans Labor ausdrücklich einen Test zu bestellen, der nicht auf ELISA basiert, da auch dort nach dem Prinzip getestet wird. Im Labor stehen aber noch weitere, evtl. besser geeignete Testmethoden zur Verfügung.

Oft wird empfohlen, das Ergebnis mit einem Western Blot absichern zu lassen.
Dieser schon etwas aufwändigere Test berücksichtigt weitere Parameter, reagiert aber schlussendlich ebenfalls auf Antikörper, deren Anwesenheit nach mehreren Schritten optisch sichtbar gemacht werden kann. Lange Zeit wurde dieser Test als Goldstandard gewertet. Warum eigentlich, das konnten wir nicht so genau herausfinden... Wohl aber kritische Meinungen.

Eine weitere Testmethode ist die PCR (polymerase chain reaction). Sie reagiert nicht auf Antikörper, sondern weißt das FIV anhand von spezifischen DNA-Stücken nach. Deshalb stellt dieser Test eine zuverlässige Methode dar, um den Erreger (nicht den Antikörper) im Blut nachzuweisen oder auszuschließen, und das praktischerweise mit 10-14 Tagen schon sehr früh nach der möglichen Infektion mit FIV, also wenn erstmalig Symptome wie Abgeschlagenheit oder vergrößerte Lymphknoten als Immunreaktion auftreten (Serokonversion). Ein Problem dabei stellen allerdings Mutationen dar.
Kätzchen können mit einem PCR-Test zuverlässig getestet werden, weil ja die Antikörper von Mami nicht berücksichtigt werden.

Alle drei Test-Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Auf welche Kombinatin man sich verlassen möchte, sollte indivudiell mit dem Tierarzt ausgewählt werden.
Und ganz wichtig: niemals ein Testergebnis vor den tatsächlichen Gesundheitszustand stellen.

 

Test positiv – und jetzt?


Ob nun doppelt abgesichert oder (noch) nicht: keine Panik! FIV+ zu sein ist kein Todesurteil!
Wegen der vergleichsweise trägen Übertragungswege gibt es keinen Grund, die positive Katze aus dem bestehen- den Rudel zu isolieren, sofern allemann kastriert sind. Die Katzen haben bisher schon harmonisch zusammen ge- lebt, warum sollte sich das auf einmal ändern?
Man kann die übrigen Katzen ebenfalls testen lassen, wobei sich aber die Frage stellt: bringt uns das weiter?

Die FIV+ Katze braucht zunächst einmal keine Extrawurst.
Wie auch die negativ getestete sollte sie hochwertig ernährt werden, getreide- und zuckerfrei mit hohem Fleisch- anteil. Sie sollte so wenig Stress wie möglich ausgesetzt werden (gar keiner Katze tut Stress gut). Mindestens einen Katzenkumpel fürs seelische Wohlbehagen sollte sie haben, ein gesicherter Balkon wird ihr Freude machen und ein stets sauberes Klo ist Pflicht. Nichts, was den FIVi vom Nicht-FIVi unterscheiden würde.
Einzig die Entscheidung, ob die Miez zum Tierarzt muss oder nicht, erfordert etwas Fingerspitzengefühl. Hier kann der Austausch mit anderen FIV-Katzen-Eltern hilfreich sein: nicht jedes Niesen muss dem Tierarzt vorgezeigt wer- den, aber nicht jede Erkältung kriegt man alleine in den Griff. Der Besuch beim Tierarzt bedeutet für die Katze Stress, den wir ja vermeiden wollen. Es gilt also: so oft wie nötig und so selten wie möglich.

Bei der Wahl des Tierarztes ist Geduld gefordert. Es gibt ganz viele tolle Tierärzte, alles andere wäre ja auch schlimm. Doch nicht jeder ist offen gegenüber FIV, nicht jeder interessiert sich für Fort- und Weiterbildung, einige schieben noch immer alles auf das böse FIV und reden dauernd davon, das FIV sei ausgebrochen, statt Diagnostik zu betrei- ben wie bei jeder anderen Katze auch.
In diesem Fall: Katze wieder einpacken und weitersuchen! Manchmal braucht es mehrere Anläufe und ein dickes Fell, ehe man den Tierarzt des Vertrauens gefunden hat.

Wichtig ist, dass stets nach einer Diagnose gesucht wird, jede Erkrankung für sich gesehen und genauso zielgerich- tet behandelt wird, als handelte es sich um eine negativ getestete Katze.

Es gibt vereinzelte Medikamente, deren Anwendung am FIVi umstritten sind. Dazu gehören alle, die grob etwas mit 'Immunystem' zu tun haben: sowohl die anregenden wie Echinacea-Präparate, als auch die unterdrückenden wie Cortisone. Und um es ganz verrückt zu machen sogar die modulierenden wie Zylexis.
Hier wird man im Einzelfall individuell entscheiden müssen, je nach Krankheitsbild kann z.B. die Entscheidung für Cortison lebensrettend sein. Besprecht euch neben dem Tierarzt auch mit anderen FIV-Katzen-Eltern!

Ein tatsächlich problematisches Thema ist der Freigang.
Auch wenn das Risiko, als kastrierte Katze andere anzustecken, zu vernachlässigen klein ist, so muss man bedenken, dass ein FIVi sich ja auch zusätzlich weitere Infektionen einfangen kann. FIVis zu impfen ist ein kontrovers diskutier- tes Thema, bei dem das eine Lager konsequent ablehnt, mit dem Argument, dass die Impfantwort bei FIVis nicht ausreichend oder überhaupt nicht vorhanden sei, das andere Lager aber zumindest die Grundimmunisierung möch- te, weil die betroffenen Tiere ja eine Immunschwäche ausbilden werden (darüber kann man denken wie man will) und deswegen den Impfschutz unbedingt brauchen.


Aus Kostengründen wird in vielen deutschen Tierheimen nicht screeningmäßig getestet, sondern nur im begründe- ten Verdachtsfall. Bauernhof-Katzen sind meist auch ungetestet. Wir dürfen also davon ausgehen, dass die Dunkel-ziffer immerns ist. Nicht nur, was FIV angeht.
Auch das Problem unkastrierter Streunerpopulationen ist in Deutschand nur regional unter Kontrolle. Hier müssen wir ebenfalls von einer recht hohen 'Durchseuchung' mit Allmöglichem ausgehen. Fällt aber eben nicht so auf.
Deshalb ist es sinnvoll, einen FIVi drinnen zu halten.

 

Lässt aber nicht jeder eingefleischte Freigänger mit sich machen. In diesem Fall muss man eine sorgfältig abgewägte Einzelfallentscheidung treffen: Ist der Stress bei erzwungener Wohnungshaltung größer als die Gefahren, die im Freigang lauern? Wie dicht ist die Katzenpopulation vor Ort und wie harmonisch funktioniert das Zusammenleben da draußen? Vielleicht darf ein Freigehege errichtet werden?

Auch hier ist der Austausch mit anderen FIV-Katzen-Eltern sinnvoll.


FIV verstehen – ein Ausflug in die Virologie.

Für alle, die es ganz genau wissen möchten.

- folgt -

 

 

 

Quellen und zum Weiterlesen. Reihenfolge alphabetisch. Links führen direkt zur Quelle.

 

calvinspaws.wordpress.com
chewonthis.maddiesfund.org - 1

chewonthis.maddiesfund.org - 2

cliniciansbrief.com

Idexx - 1

Idexx - 2
Kamikaze-Zwerglis
rethinkingaids.de

sciencedirect.com
TiHo Hannover
Tierklinik Birkenfeld

 
https://www.facebook.com/FelineFIV

https://www.facebook.com/groups/464923286857105/

 


Persönlich.


Ich bin 'Mama' von vier FIVis zwischen fast 10 und noch nicht 2 Jahren. Auch Nepomuk - der Kater Nepomuk - gehört zu uns. Die Entscheidung für FIVis war eine ganz bewusste: ich hatte mich unwissend in eine FIVi verguckt und das gro-ße Glück, schon vor vielen Jahren eine ganz tolle Beratung von der 'Spezialistin' der vermittelnden Katzenhilfe zu erfahren. Und so dauerte es nicht lange, bis die ersten zwei FIVis einzogen, Meg & Grisa.
Wir haben in den folgenden Jahren sogar einen Menschen-Papi adoptiert und unsere Truppe ist von zwei auf konstant vier angewachsen. Trotz zweier Todesfälle haben wir nie den Kopf in den Sand gesteckt. Dass wir ein reiner FIV-Katzen-Haushalt sind liegt nur daran, dass es FIVis in den Tierheimen immer noch schwerer haben und wir uns deswegen vornehmlich für sie entscheiden.
Natürlich haben wir schon ein paar Mark beim Tierarzt gelassen, allerdings hätten all unsere Wehwehchen wohl auch jeden nicht-FIVi gleichermaßen treffen können: Anämie, allergisches Asthma, CNI, Zähne & Zahnfleisch und eine Tierheim-Flohfamilie.

Amanda, 09.09.2016


Stand: 01.01.2017